Der Mann, der Millionen Menschenleben rettete, ohne dass diese Menschen davon wussten …

Der Mann, der Millionen Menschenleben rettete, ohne dass diese Menschen davon wussten …

“Manchmal sind es die Menschen, von denen man es sich am wenigsten vorstellen kann, die etwas leisten, was bis dahin unvorstellbar war.”  – Christopher aus dem Film “The Imitation Game” (2015)

Genau zu solchen Menschen lässt sich der Mann zählen, über den ich heute hier schreiben möchte: Ein Genie in den Bereichen der Naturwissenschaften und der Informatik, Urvater der Computer, Retter von Menschenleben und entscheidend für den Ausgang des Zweiten Weltkriegs – das alles und noch so vieles mehr ist und war Alan Turing.

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Alan Turing in jungen Jahren

Geboren wurde er am 23. Juni 1912 in London. Berichten zufolge stellte sich sehr schnell heraus, dass er sehr intelligent und begabt war: In nur drei Wochen soll er sich selbst das Lesen beigebracht haben, hatte jedoch schon damals vermehrt Interesse an Zahlen und Rätseln.

Als er mit 14 Jahren auf die  Sherborne School in Dorset wechselte, fiel sein erster Schultag auf denselben wie der eines Generalstreiks. Doch soll Turing so wissbegierig und motiviert gewesen sein, dass er die 100 Kilometer von Southhampton bis zur Schule mit dem Fahrrad zurücklegte und dabei nur einmal bei einer Gaststätte anhielt, behauptete zumindest die Lokalpresse.

Im Alter von 15/16 Jahren entdeckte er die Arbeiten Albert Einsteins, verstand sie und es war ihm möglich aus dem Text noch weitere Erkenntnisse abzuleiten und zu erzielen, ohne dass diese explizit genannt wurden.

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Der Zweite Weltkrieg forderte viele Opfer, viele Leben – und ein paar von Ihnen konnte Alan Turing retten, weil er das Unmögliche möglich machte. – Foto von Richard Peter

Eine weitere tragende und bislang noch meist unbekannte Rolle spielte Alan Turing im Zweiten Weltkrieg. Mit anderen Wissenschaftlern und Kollegen arbeitete er für die Britische Regierung am Entschlüsseln der Enigma – die Verschlüsselungsmaschine der Deutschen, die alle bislang für unentschlüsselbar, unknackbar hielten.Des Weiteren konstruierte er eine Maschine, welche später bekannt wurde unter dem Namen “Turing-Bombe” (aufgrund des Tickens; nicht wegen der Explosionsgefahr), welche bis zu 64 verschiedene Möglichkeiten der Entschlüsselung pro Minute testen konnte, damit man den deutschen Code fand. Um alles nochmal ein wenig genauer zu erklären: Die Deutschen hatte eine nette kleine Maschine, einer normalen Schreibmaschine nicht ganz unähnlich.

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Eine Enigma-Maschine. Es gab jedoch noch viele weitere Modelle, manche fortgeschrittener als andere.

Mithilfe dieser konnte man eine Nachricht normal eintippen und heraus kam nur Kauderwelsch. Um die Nachricht zu entschlüsseln, musste man ebenfalls eine Enigma-Maschine besitzen und die Einstellungen der Maschine und deren Walzen kennen, damit auch die vorherigen Wörter wieder übersetzt werden konnten. Zurückübersetzt praktisch. Allerdings gab es mehrere Walzen und Millionen und Trillionen an Möglichkeiten der einzelnen Verschlüsselungen. Eine Einstellung für die Entschlüsselung galt maximal ein Tag; Punkt Mitternacht änderten die Deutschen den Code erneut. Aufgrund von wahrscheinlichen Wörtern, den sogenannten cribs, welche im Zweiten Weltkrieg bei den Deutsche so etwas wie “Heil” und “Hitler” gewesen sind, konnten ein paar Kombinationen immer ausgeschlossen werden, was letztendlich dazu führte, dass die Enigma geknackt wurde und der Code dahinter. Und das jeden Tag auf’s Neue!

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Ein deutscher General wartet darauf, dass ein eingegangener Funkspruch durch die erneute Eingabe in die Enigma-Maschine mithilfe der richtigen Einstellung wieder “übersetzt wird”.

Durch diese Turing-Bombe, die beim Entschlüsseln half, konnten alle Informationen der Nazis verstanden werden, welche als “geheim” extra verschlüsselt gesendet wurden. Es lieferte den entscheidenden Vorteil für die Aliierten, um Hitler in die Flucht zu schlagen. Durch die Arbeit Turings, so vermutet man, hat man den Krieg um bis zu zwei Jahre verkürzt und damit an die 14 Millionen Menschenleben gerettet. Jetzt mal davon abgesehen, dass es ohne das Knacken der Enigma-Maschine durchaus möglich gewesen wäre, dass Hitler den Krieg gewinnt und unsere Zukunft heute sehr viel anders aussehen würde.

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Ohne die richtige Einstellung für die Enigma-Maschine war das Einzige, was man lesen konnte, dies: Kauderwelsch, ohne jeden Sinn und Zweck und Nutzen.

Die Mitarbeit Turings an einem Projekt wie das Entschlüsseln der Enigma galt als streng geheim. Manche Informationen wurden womöglich gelöscht und verbrannt, andere sind noch heute unter Verschluss. Erst in den 1970ern Jahren wurde bekannt, dass Alan Turing bei der Entzifferung einen solchen Beitrag geleistet hat.

Doch es gab noch eine Besonderheit an Alan Turing: Er war homosexuell (“schwul”). Und das in einer Zeit, in der Homosexualität in Großbritannien noch als Unzucht, sexuelle Perversion, Krankheit, ja, als Verbrechen galt und hart bestraft wurde. Turings erste Jugendliebe, so wird dieser Junge jedenfalls bezeichnet, war ein gewisser Christopher Morcom, der infolge von Tuberkulose in jungen Jahren verstarb. Turing selbst wurde wegen seiner Homosexualität verfolgt, verhaftet und verurteilt, als er eine Beziehung mit einem 19-jährigen Arnold hatte. Alan durfte wählen zwischen einer zweijährigen Haftstrafe oder einer Behandlung (es galt ja als “Krankheit”), welche eine Östrogenbehandlung mit sich zog. Beabsichtigt war eine chemische Kastration.

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Für manch Homosexuellen ist Alan Turing ein Held, weil er trotz allem zu seiner Homosexualität stand, obwohl er wusste, was ihm blühte. – Foto von Farid

Das tragische Ende der Geschichte ist der Tod Alan Turings am 7. Juni 1954 mit nur 41 Jahren. Angeblich soll er schon seit seiner Kindheit von dem Märchen Schneewittchen fasziniert gewesen sein, weshalb das Genie mithilfe eines von Cyanid vergifteten Apfels Selbstmord beging. Angeblich. Andere wiederum behaupten, dass der Suizid nur aufgrund der Depressionen durch die Therapie herrührte – die Depression war verantwortlich. Alans Familie selbst ist der Meinung, es wäre ein Unfall gewesen. Ein gescheitertes Experiment vielleicht.

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Eine Statue, die Alan Turing, nachdem er Selbstmord mithilfe eines vergifteten Apfels beging, auf seinem Bett zeigt. Das Kunstwerk gemacht und fotografiert hat Malcom Lidbury.

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